F. Krey
Geschichte
24.11.2011 - 21:06

Geschichte



"Zigeuner" gibt es nicht !

"Zigeuner" ist ein Schimpfwort, das im Mittelalter entstand und auf das Volk Roma angewandt wurde.

Soviel ist sicher: die Roma sind fast weltweit verbreitet mit gemeinsamen kulturellen und sprachlichen Eigenarten. - Alles andere ist hochspannend und es mag sich kaum jemand sich auf Zahlen festlegen. So spricht das Harenberg-Lexikon von 5 - 6 Mio. Angehörigen, andere Lexika von 20 Mio. und in Microsofts "Encarta 2000" wird die Zahl 12 Mio. genannt.

Auch der Ursprung ist nicht restlos gesichert, denn obwohl z.B. der Sinti-Stamm seit mehr als 500 Jahren in Zentraleuropa, insbesondere in Deutschland seinen traditionellen Lebensraum hat, beschäftigte sich die völkerkundliche Wissenschaft erst gegen Ende des 18.Jahrhunderts mit der Herkunft dieses Volkes.
Es wird wegen Sprachähnlichkeiten vermutet, daß die Roma aus dem nordwest-indischen Raum stammen und dort in mehreren Wellen seit dem 5.Jahrhundert auswanderten. Die größte Flucht wird für das 11.Jahrhundert angenommen, als dieses Gebiet von Muslimen besetzt wurde. Die Wanderungsroute kann sprachwissenschaftlich über Persien, Kleinasien bis in das Gebiet der heutigen Türkei rekonstruiert werden.

Im Mittelalter folgte die Streuung nach Europa, insbesondere auf die iberische Halbinsel, aber dort endete die Freiheit im Jahr 1492, als die Herrschaft der Mauren zerbrach. Mit zahlreichen Gesetzen und willkürlicher Gewaltanwendung wurden Sinti und Roma unterdrückt.

Höhepunkte der Diskriminierung in Europa
1539 Vertreibung aus Paris
1563 Vertreibung aus England unter Androhung der Todesstrafe
1855 erst im Jahr 1855 wurden in Rumänien für Siniti und Roma die "Leibeigenschaft" aufgehoben
1939 nationalsozialistischer Verfolgung fielen 500.000 Sinti und Roma zum Opfer

Von den in Deutschland lebenden überwiegend Sinti sind etwa 90 % seßhaft, gleichwohl findet eineVermischung mit der Außenwelt regelmäßig nicht statt. Die Kontaktpflege über das eigene Volk hinaus wird für "unrein" gehalten. Auch das deutet auf religiöse Wurzeln im Kastensystem des Hinduismus.

Andererseits unterscheiden sich die Stämme in ihrem religiösen Bekenntnis, denn häufig nahmen sie den Glauben des sie umgebenden Lebensraumes an. Die religiösen Zeremonien werden wiederum isoliert von der Außenwelt gepflegt und erhalten spezifische Prägungen.

Es herrscht strenge Sexualmoral und Ehebündnisse sollen zugleich die Bindungen der beteiligten Familien fördern.

Zivilrechtliche und TraditionsStreitigkeiten werden zunächst in eigener Stammesgerichtsbarkeit zu schlichten versucht. Der älteren Generation kommt dabei maßgebliche Autorität zu.

Politisch gibt es ein System von Oberhäuptern, die mitunter als König oder Königin bezeichnet werden, ohne daß sich hieraus eine allgemeine politische Führungsrolle ableiten ließe. In die Waagschale der Entscheidung soll verdienter und zuerkannter Respekt einfließen.

Insgesamt sind diese durchaus demokratischen Organisationsstrukturen ähnlich denen des Dorflebens, während die Anonymität der Stadt eher seine Demokratiemomente in rein zahlenmässigen Verhältnissen verwirklicht. Trotzdem der dörfliche Alltag eine vergleichbare Ansehensdominanz pflegt, ist die Ablehnung der Dorfbewohner gegenüber zugezogenen Roma/Sinti selten brückbarer als gegenüber dem Städter.
Immerhin jedoch sind es die ländlichen Gebiete des südlichen Europas, in denen die Sinti und Roma relativ gut integriert sind, ohne "angepasst" ihre Kultur aufgeben zu müssen.


WER muss sich WEM anpassen ?

Der Zustand "tiefer, gegenseitiger Skepsis" kann nicht damit begründet werden, daß sich Sinti und Roma gegen die umgebende Kultur abzuschotten versuchen, denn dann müßten andere nationale Minderheiten wie etwa die Sorben ähnliche Probleme haben. Umgekehrt müßte die jüdische Minderheit, die trotz Holocaust aktive Teilhabe am gesamten, gesellschaftlichen Leben praktiziert, frei von Diskriminierung sein, was auch wieder nicht der Fall ist.


Uli


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